In der Schweiz sind gesetzliche Ansätze für mehr Zirkularität im Bau vorhanden. Für eine rasche Umsetzung müssen diese weiterentwickelt werden. In diesem Beitrag werfen wir in Teil 1 einen Blick auf die Entwicklungen in der EU und der Schweiz in Teil 2.
Die Umstellung auf zirkuläres Bauen, bei dem Materialien ressourcenschonend und zu ihrem höchstmöglichen Wert (wieder-)eingesetzt werden, ist entscheidend für eine nachhaltige Zukunft. Zielvorgaben und rechtliche Grundlagen für das zirkuläre Bauen sind heute Bestandteil des ordnungspolitischen Rahmens der EU. Bisher waren es allerdings „Kann-Bestimmungen“ und Vorgaben zur freiwilligen Umsetzung, doch das wird sich in Kürze ändern. Zwar ist die Schweiz nicht EU-Mitglied, aber ihre Marktteilnehmer sind dennoch stark von den regulatorischen Entwicklungen in der EU betroffen. Der Schweizer Bausektor wird sich auf konkretere Vorgaben vorbereiten müssen. Im ersten Teil dieses Beitrages beleuchten wir die Entwicklungen auf EU-Ebene, den Status Quo in der Schweiz im zweiten Teil.
2. Wie konkretisiert die Schweiz die Anforderungen für zirkuläres Bauen?
Im ersten Teil unseres Beitrages haben wir beleuchtet, welche Vorgaben die EU für das zirkuläre Bauen eingeführt hat, wie etwa Umweltindikatoren für Bauprodukte und die Ökodesign-Verordnung. Diese werden auf die Schweiz Auswirkungen haben. Zudem wird erwartet, dass Transparenzanforderungen für die gesamte Wertschöpfungskette in Form des Renovierungs-/Gebäudepasses und verschärfte Klimaberichterstattungspflichten auch den Schweizer Bausektor betreffen werden.
Kreislaufwirtschaft stärken: Anforderungen, Grenzwerte und Lenkungsabgaben
Mit der Umsetzung der Teilrevision des Umweltschutzgesetzes (USG) auf Basis der Parlamentarischen Initiative 20.433 „Schweizer Kreislaufwirtschaft stärken“ hat der Schweizer Gesetzgeber in Art. 35j USG die Möglichkeit eingeführt, schweizweite Anforderungen für Ressourcenschonung, Rückbaubarkeit und Wiederverwendung im Bausektor zu verankern. Der Bundesrat hat am 13. November 2024 beschlossen, dass die meisten Regeln auf den 1.1.2025 in Kraft treten. Die Bundesverwaltung bereitet aktuell die Umsetzung vor.
Die im Rahmen der Parlamentarischen Initative ebenfalls erfolgte Revision des Energiegesetzes eröffnet die Möglichkeit, verbindliche Grenzwerte für graue Energie und Treibhausgasemissionen bei Neubauten und Sanierungen festzulegen. Dies obliegt den Kantonen, die dafür nötigen kantonalen Mustervorschriften (MUKEN) werden aktuell erstellt. Der aktuelle Entwurf, über den im August 2025 abgestimmt werden soll, sieht 13 kg CO2-Äquivalente pro Quatrameter für Einfamilienhäuser und 12 kg CO2-Äquivalente pro Quatrameter für Mehrfamilienhäuser vor.
Die Einführung von niedrigeren Grenzwerten und eine Koppelung mit einem Lenkungsabgabesystem, das den Bau mit CO2-intensiven erschwert, prüft gerade Basel-Stadt. Auch für den vorzeitigen Abbruch von intakten Gebäuden wird eine Lenkungsabgabe geprüft. Unbeachtet davon werden Kantone und Städte in konkreten Bauprojekten Erfahrungen sammeln und über Ausschreibungen Standards setzen können.
Das Klima- und Innovationsgesetz von 2023 formuliert das Ziel, dass der Schweizer Gebäudepark bis 2050 keine Treibhausgase mehr ausstossen soll. Ein Grossteil der geplanten Anreize betrifft die Verringerung der Betriebsenergie durch den Einsatz von neuen Technologien wie Hochtemperaturwärmepumpen und CO2-armen Baustoffen. Das Gesetz fördert auch die Entwicklung und Anwendung innovativer Technologien im Bauwesen, die dazu beitragen können, CO2 zu reduzieren oder sogar aus der Atmosphäre zu entfernen und sicher zu speichern, beispielsweise durch die Einschliessung in Baumaterialien wie Beton.
Vorbereiten auf Berichterstattungspflichten
Trotz dieser Fortschritte sehen sich die Akteure im Markt Herausforderungen gegenüberstehen. Viele Akteure entlang der Bau-Lieferkette kennen das Potenzial zirkulärer Methoden nicht ausreichend. Anfangsinvestitionen schrecken oft ab, da der langfristige Nutzen nicht sofort sichtbar ist. Schliesslich führt der starke Wettbewerbsdruck oft zu Entscheidungen, in denen zirkuläre Ansätzen in den Hintergrund treten.
Mit der seit 1. Januar 2024 in der Schweiz geltenden Berichterstattungspflichten zu Klimathemen müssen grosse Unternehmen, Banken und Versicherungen mit mindestens 500 Mitarbeitenden und festgelegten Bilanz-(mind. 20 Mio CHF) - oder Umsatzschwellen (mehr als 40 Mio CHF) Klimarisiken, CO2-Emissionen und Reduktionsziele offenlegen. Im Juni 2024 hat der Bundesrat die Vernehmlassung zu Änderungen im Obligationenrecht (OR) eröffnet, die die Kriterien für die Klimaberichterstattungspflicht verschärfen und gleichzeitig an die Kriterien der EU-CSRD anlehnen. Künftig sollen Unternehmen mit mindestens 250 Mitarbeitenden, einer Bilanzsumme von 25 Millionen Franken oder einem Umsatz von 50 Millionen Franken verpflichtet werden, über klimarelevante Risiken und die ergriffenen Massnahmen zu berichten. Diese Schwellenwerte gelten jedoch nur, wenn das Unternehmen in zwei aufeinanderfolgenden Jahren mindestens zwei dieser Kriterien erfüllt.
Konkrete Vorgehensweisen etablieren sich in der Umsetzung
Damit Zirkularität zum neuen Normal werden kann, braucht es allerdings die Anwendung in der Praxis und das Teilen von Wissen. Private und öffentliche Bauherren sind mit der Beschaffung auf Basis zirkulärer Beschaffung ein Vorbild. Grosse Projekte wie SBB X, oder Umbauprojekte wie die Müllerstrasse weisen den Weg. Der Kanton Zürich hat als erster Kanton der Schweiz eine Kreislaufwirtschaftsstrategie verabschiedet, nun sind Gemeinden gefragt, in die Umsetzung zu gehen.
Aus solch konkreten Kooperationen können Strukturen entstehen, innerhalb derer es sich lohnt, Zirkularität umzusetzen. Lohnen im Sinne der Vereinfachung und Beschleunigung der Umsetzung. Lohnen auch, als das aus Erfahrungen Leitlinien und aus diesen Standards entstehen können, die branchenweite Geltung erhalten.
C33 – Schweizer Koordinationsstelle für zirkuläres Bauen setzt genau hier an, Wissen und Erfahrungen aus zirkulären Projekten zusammenzutragen und in der Breite der Branche bereitzustellen.
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